Kochversuche

Auf dem Weg zu den Endprodukten Textilien und Papier gehen die Faserpflanzen ein gutes Stück gemeinsam. Anbau, Ernte, Fasergewinnung (Röste, Trocknung, Breche, Schüttel, Schwinge, Kamm) – dann aber trennen sich die Wege, denn während Naturfasern für Textilien weiter mechanisch bearbeitet werden durch Spinnen, Filzen, Weben etwa, kommt auf dem Weg zum Papier an dieser Stelle Chemie ins Spiel (zumindest wenn der wesentlich längere Weg über Bakterien oder Pilzenzyme umgangen werden soll).
Anke Meixner und Petra Walter-Moll experimentierten mit unterschiedlichen Chemikalien, um getrocknete Hanffasern für die Papierherstellung weiter aufzuschließen. Hier stehen die beiden Erfahrungsberichte.
Anke schreibt: „Das frisch geerntete Hanfstroh sah vielversprechend aus. An einigen Stellen gab es schon dicke Faserknäuel in den Garben, die wir zusammengebunden hatten. Der Versuch, mit der Flachsbreche von Hand die Fasern von den Schäben zu lösen, war zwar mühsam, funktionierte aber. Den Arbeitsgang des Kämmens ersetzte ich für die kleine Menge durch mühsames Auslesen der Schäbenreste. Aber für Kochversuche mit zwei mal 100 Gramm Trockenmasse ging das schon. Andere Fasern hatte ich bisher mit Pottasche chemisch aufgeschlossen. Das gelang sehr gut, sowohl bei Gartenfasern wie Nesseln und Lilien als auch bei asiatischen Papierfasern wie Kozo und Lokta. Diesmal setzte ich also genau wie mein erstes im eigenen Garten geerntetes Kozo auch den Hanf mit 20 Prozent Pottasche an und kochte drei bis vier Stunden. Das Kozo war danach weich wie Butter, herrlich! Der Hanf dagegen zeigte noch deutliche Faserbündel. Die ließen sich allerdings soweit schlagen und im Küchenmixer zerkleinern, dass ich erste Schöpfversuche wagen konnte. Die zweite Charge hatte ich mit 30 Prozent Pottasche angesetzt. Sie ergab schon ein Papier mit gleichmäßiger Struktur und schöner warmgrauer Naturfarbe. Die gröberen Fasern darin erzählen, woraus es entstanden ist – aus unserem selbst verarbeiteten Hanf. Es ergaben sich eine Handvoll Proben in Postkartengröße und einige Blätter im A4-Format, die ich demnächst auf ihre Bedruckbarkeit untersuche.“
Petras Erfahrungsbericht: „Ich verwendete ebenfalls bereits gebrochene Hanffasern, aus denen die Schäben händisch herausgelöst werden mussten. Das ist mühsam und bedeutet Faserverlust, der ja aber auch beim Schwingen oder Karden nicht ausbleibt. Danach setzte ich in zwei großen Töpfen Natronlauge an, wie sie für die Herstellung von Zellstoff verwendet wird. Auf insgesamt 5 Liter kaltes Wasser kamen 150 g Ätznatron. Mit Gummihandschuhen geschützt, da die Lauge ätzend ist, befüllte ich vorsichtig die Töpfe mit Hanffasern, um sie auf meinen Gasherd draußen, außerhalb der Küche – denn es riecht nicht gut – zwei Stunden zu kochen. Während einer der Töpfe dauerschäumte sowie beständig überkochte, brodelte im anderen Topf die Hanfmasse leicht dampfend vor sich hin. Meine Empfehlung, um den anschließenden Putzaufwand in Grenzen zu halten, lautet daher: Alugefäße vermeiden und eher breite, nicht zu hoch befüllte Töpfe verwenden. Große Gefäße zum Um- und Abgießen bereitstellen.
Nach dem Kochen müssen die Fasern durch ein Tuch abgegossen und anschließend gründlich gespült werden. Bei meiner Mutter hieß es früher: Kochwäsche einmal warm, zweimal kalt spülen … In Ermangelung von warmen Wasser spülte ich viermal kalt, bis das Spülwasser weitgehend klar war. Die restliche Lauge neutralisierte ich mit Essig, bevor ich sie entsorgte.
Die gespülten Fasern, mit denen ich nun endlich wieder ohne Handschuhe hantieren konnte, legte ich auf ein Drahtsieb, wo sie zur Zeit im Wind antrocknen. Abschließend kommen sie ins Gefrierfach, damit sie nicht stinken, bevor sie weiter verarbeitet werden. Wie gut sie sich dafür eignen, wird der nächste Arbeitsprozess zeigen, der Anfang Mai im ATB Potsdam stattfinden soll.
Ich kann also noch nicht sagen, wie erfolgreich der Faseraufschluss war. Was ich aber schon weiß: Mein Rührlöffel aus Holz, den ich beim Kochen verwendete, reagierte eindeutig auf die Lauge. Vorher glatt und hart, hat er nun eine weiche, leicht faserige Oberfläche.“

Die Schäben wurden von den Fasern getrennt

Kochen der Hanffasern in Pottasche

Abseihen der gekochten Fasern

Zerkleinerte, geschlagene Fasern

Erste Schöpfversuche mit Hanffaserpulpe

o. u. u.: Handgeschöpfte Papiere aus selbst hergestellter Hanffaserpulpe

Hanffasern im Papier
Fotos: Anke Meixner

Hanffasern kochen in Natronlauge

Gekochter Hanf im Spülwasser

Kochergebnis Hanf in Natronlauge, trocknend im Wind
Fotos: PWM

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