Bis zur Schöpfung

Da sind sie, die Papierbogen, handgeschöpft aus eigenem, geröstetem, selbst geerntetem, guillotiniertem, extrudiertem, händisch entholztem, gekochtem und gemixtem Hanf.
Doch der Reihe nach:
Anfang Mai durften wir am Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie, kurz ATB, in Potsdam erscheinen mit einigen unserer inzwischen trockenen Hanfstrohbunde und dem aus dem Sommerprojekt noch vorhandenen Faserrohstoff. Leider war es uns im Vorfeld nicht gelungen, das Hanfstroh brechen und entholzen zu lassen, so war es jetzt spannend, wie man in der Pilotanlage Hanf damit umgehen würde. Die mitgebrachte Ernte war im Nu durch die sogenannte Guillotine zu Faserrohstoff zerschnitten und im Extruder anschließend zu sehr kurzfaserigem Material zerkleinert worden. Druck-, Feuchtigkeitsgrad- und Temperaturveränderungen können bei dieser Technik die gewünschte Faserlänge beeinflussen. Schließlich stellte aber nicht die Faserlänge, sondern eben der noch vorhandene Holz- bzw. Schäbenanteil des Materials das Problem bei der Weiterverarbeitung dar. Erste Schöpfversuche vor Ort ergaben brüchige, knäckebrotähnliche Ergebnisse, wohl für Verpackungen und kurzlebige Pappen geeignet, kaum aber zum Schöpfen von feinerem Papier. Papier, ob handgeschöpft oder industriell hergestellt, das langlebig sein soll, braucht unbedingt entholzten, sprich ligninfreien Faserrohstoff als Ausgangsmaterial.
Dennoch: Erfreut und sehr dankbar über die Hilfe von Dr. Hans-Jörg Gusovius und den Mitarbeitern in der Pilotanlage, verblüfft von den Möglichkeiten, die die vorhandenen Maschinen bieten und beglückt über Menge und Unterschiedlichkeit des Faserrohstoffs setzten wir während der folgenden Tage in der paho-Werkstatt in Großderschau unsere Experimente zur Papierherstellung fort. Unterstützt wurden wir von Buchbinderin und Papiermacherin Janet Sifft aus Berlin, deren Fachwissen sowie unbedingter handwerklicher Qualitätsanspruch in die Arbeitsergebnisse einfloss. Wir kochten extrudiertes Material aus dem ATB, entholzten händisch den nur guillotinierten Faserrohstoff und schnitten bereits vorher gekochte, sehr lange Hanffasern per Schere, weil uns an dieser Stelle der Holländer fehlte, um die Fasern weiter aufschließen und den Halbstoff bis zum gewünschten Grad mahlen zu können. Schließlich gelang es uns, schöpfbare Pulpe herzustellen, so dass eine Reihe von zarten, durchsichtigen, biegsamen Blättern geschöpft, auf Wollfilze gegautscht und in der Schlagpresse entwässert und getrocknet werden konnte.
Zum Tag des Offenen Ateliers am 6. und 7. Mai, an dem paho zum ersten Mal teilnahm, zeigten wir zusätzlich zu den ausgestellten Arbeiten von Ute Fürstenberg, Anke Meixner und Eva-Maria Schön die frischen Arbeitsergebnisse aus der Werkstatt. 
Seit der Sommerakademie Papier im vergangenen Jahr haben wir uns nun mit den Potenzialen von Hanf als Faserpflanze befasst und den Weg von der Fasergewinnung bis zur Papierherstellung untersucht. In dem einen Jahr gingen wir nicht immer einfache, aber stets sehr erkenntnisreiche Schritte der Zusammenarbeit mit der Agrarwirtschaft, der Forschung und dem Handwerk. An allen Stellen dieser Zusammenarbeit tat sich ein Kosmos auf, den weiter zu erkunden durchaus lohnenswert wäre, dafür jedoch braucht es Geld und Zeit.
Bis hierher sind wir zunächst gekommen: Unser handgeschöpftes Hanfpapier ist da! Damit lässt sich weiter künstlerisch arbeiten.

Ein Teil unserer Hanfstrohernte geht durch die Guillotine des ATB

Aus wenig Hanfstroh ist viel Faserrohstoff entstanden

Dr. Hans-Jörg Gusovius und Anke Meixner am Extruder, der den Faserrohstoff zerkleinert

Versuche am Scheibenrefiner zur Feinvermahlung des Faserstoffes

Schöpfproben mit dem Material aus dem Extruder

Händisches Entholzen und Kürzen der gekochten Fasern in der paho-Werkstatt

Extrudierte Fasern, gekocht in Natronlauge, mit noch deutlich sichtbaren Schäben

Anke schöpft mit verschiedenen Ausgangsmaterialien in der Bütte

Probeschöpfungen mit kurzfaserigem, holzhaltigem Material und entholztem, langfaserigem Material

Nach dem Nasspressen zur Entwässerung wird das noch feuchte Blatt vorsichtig vom Wollfilz gelöst, zwischen Finnpappen gelegt und trockengepresst

Geschöpfte Papiere auf Finnpappen, zum Trockenpressen vorbereitet

Wegweiser zur paho-Werkstatt

Drucksachen und Schöpfproben

Papierarbeiten von Anke Meixner in der Ausstellung

Schöpfen …

… und Gautschen …

… mit Gästen
oben: handgeschöpftes Papier aus unserem Hanfstroh
Fotos: PWM (14), ATB (1), paho (3)

2 Gedanken zu „Bis zur Schöpfung“

  1. glückwunsch !!! und herzlichen dank für die schönen bildeindrücke aus grossderschau: das forschen mit allen sinnen geht weiter;) wie gern wäre ich dazugekommen – Hanf oder Flachs – diese beiden fasergeschwister lassen uns nicht los und verbinden…
    mit herzlichem gruss aus der eifel, Veronika

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